Bundesarbeitsgericht (BAG) betont Schriftformerfordernis für die Inanspruchnahme von Elternzeit

Liebe Leserin,
lieber Leser,

nachdem Sie hoffentlich einen schönen und erholsamen Jahresurlaub hinter sich gebracht haben, möchten wir Sie über das Bundesarbeitsgerichtsurteil vom 10.05.2016, 9 AZR 145/15, informieren, das zwischenzeitlich veröffentlicht wurde. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wurde zum 01.07.2015 wieder einmal reformiert und ist "geprägt" von langen Paragraphen, vielen Fristen und formalen Anträgen. So muss gemäß dem BEEG der Antragsteller/die Antragstellerin spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich beim Arbeitgeber die Gewährung von Elternzeit verlangen und gleichzeitig sich darüber erklären, für welchen Zeitraum innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll (§ 16 Abs. 1 BEEG).

Der Fall

Die Klägerin war als Rechtsanwaltsfachangestellte bei dem beklagten Rechtsanwalt beschäftigt. Bei der Kanzlei handelte es sich um einen sogenannten Kleinbetrieb, es waren regelmäßig somit nicht mehr als 10 Arbeitnehmer/innen beschäftigt. Der Rechtsanwalt kündigte das Arbeitsverhältnis erstmalig mit Schreiben vom 31.08.2012. Am 17.09.2012 erhielt die Klägerin Kenntnis von der Schwangerschaft. Mit Schreiben vom 19.09.2012 teilte sie dem Rechtsanwalt die Schwangerschaft mit. Folglich war die erste Kündigung aufgrund des Sonderkündigungsschutzes einer werdenden Mutter und rechtzeitiger Anzeige der Schwangerschaft unwirksam. Nach der ärztlichen Bescheinigung war der voraussichtliche Geburtstermin der 17.05.2013. Folglich befand sich die Klägerin ab dem 05.04.2013 in Mutterschutz.

Nach der Geburt ihrer Tochter am 26.05.2013 übersandte die Klägerin dem Rechtsanwalt am 10.06.2013 ein Telefax mit dem Titel: "Elternzeit" und folgendem Inhalt:

Hiermit teile ich Ihnen meine Elternzeit wie folgt mit: Ich werde meine Elternzeit (Mutterschutz) zwei Jahre in Anspruch nehmen! Bitte veranlassen Sie alles Notwendige!

Mit Schreiben vom 15.11.2013 kündigte der Rechtsanwalt das Arbeitsverhältnis mit seiner Rechtsanwaltsfachangestellten nunmehr ordentlich zum 15.12.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Die Rechtsanwaltsfachangestellte war im Januar 2012 in die Kanzlei eingetreten. Die Klägerin stellte sich auf den Standpunkt, mit ihrem Telefax vom 10.06.2013 habe sie wirksam Elternzeit verlangt. Jedenfalls verhalte sich ihr Arbeitgeber widersprüchlich, wenn er die Formwidrigkeit ihres Elternzeitverlangens rüge. Dieser habe auf ihr Fernbleiben von der Arbeit über vier Monate nicht reagiert und dadurch die Nachholung einer formgerechten Erklärung vereitelt. Zudem habe sie auch einen Elterngeldantrag gestellt und ihm zugeleitet. Gegen die Kündigung erhob sie daher Klage beim Arbeitsgericht.

Der Rechtsanwalt (der Beklagte) beantragte die Kündigungsschutzklage abzuweisen. Er ist der Auffassung, seiner Kündigung steht kein Sonderkündigungsschutz entgegen und diese sei folglich rechtswirksam. Ein Telefax entspreche nicht dem Schriftformerfordernis. Zudem sei der Antrag auch inhaltlich nicht ausreichend. Die I. Instanz hat der Klage der Rechtsanwaltsfachangestellten stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten ebenfalls zurückgewiesen. Mit der vom Landesabeitsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Rechtsanwalt sein Ziel der Klageabweisung weiter. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Rechtanwalt nunmehr Recht gegeben und somit die Revision als begründet angesehen.

Zwar dürfte nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit grundsätzlich nicht kündigen. Die Klägerin konnte sich jedoch nicht auf diesen Sonderkündigungsschutz in der Elternzeit berufen. Es fehlte nämlich, nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, an einer formgerechten Inanspruchnahme der Elternzeit. Das dem Beklagten per Telefax am 10.06.2013 übermittelte Elternzeitverlangen ist gemäß § 125 Satz 1 BEEG nichtig! Dies, da die erforderliche Schriftform nicht gewahrt ist. Es bestehen folgende strenge Anforderungen an die Schriftform:

Der Antrag muss von der Antragstellerin/dem Antragsteller eigenhändig durch Namenunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahrt die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nicht und führt sogar zur Nichtigkeit der Erklärung.

Das Bundesarbeitsgericht sah auch keinen Anlass, die Kündigung aufgrund eines etwaigen treuewidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts für unwirksam zu erklären. Unter bestimmten Umständen sei einem Arbeitgeber zwar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Schriftformerfordernis zu berufen. Solche Besonderheiten lägen aber nicht vor. Ebenso teilte das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass der Antrag an sich inhaltlich nicht ausreichend war (BAG Urteil 10.05.2016, 9 AZR 150/15).

Tipp

Wie das Urteil zeigt, müssen auch weniger bekannte Formalien im Arbeitsrecht strikt eingehalten werden. Diese Entscheidung ging einmal zu Gunsten des Arbeitgebers aus, umgekehrt kann aber auch dem Arbeitgeber eine Vielzahl von Fehlern bei der Inanspruchnahme von Elternzeit passieren. Dies führt z. B. dazu, dass der Urlaub nicht ordnungsgemäß gekürzt ist oder bereits ein Sonderkündigungsschutz besteht und er keine Kenntnis davon hat. Auch relativ unbekannt ist, dass Arbeitnehmer/innen nunmehr 24 Monate Elternzeit über den 3. Geburtstag des Kindes hinaus ohne Zustimmung des Arbeitgebers übertragen können. Auch dann gilt der Sonderkündigungsschutz, wenn der/die Arbeitnehmer/in dann mit einer Frist von 13 Wochen die Elternzeit beantragt. Die Tücke liegt - wie so oft - im Detail!

Für Rückfragen aller Art zur Elternzeit, ebenso wie zur Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit stehen wir selbstverständlich zur Verfügung. 

Mit sonnigen Herbstgrüßen aus Heidelberg

Ihr Arbeitsrechtsteam
Tiefenbacher

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