Krank ist krank - keine Teilnahme an einem Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit

Liebe Leserin,
lieber Leser,

die Erkrankung eines Arbeitnehmers birgt für den Arbeitgeber immer wieder rechtliche Fallstricke. Der Arbeitgeber muss sich regelmäßig der Herausforderung stellen, einen Mittelweg zwischen seiner Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmer und seinen eigenen wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen zu finden. 

In diesem Zusammenhang hat sich das Bundesarbeitsgericht nun in seiner Entscheidung vom 02.11.2016 zur Reichweite des arbeitgeberseitigen Weisungsrechtes geäußert. Im Einzelnen ging es um die Frage, ob ein Arbeitnehmer während bestehender Arbeitsunfähigkeit einer Aufforderung zur Teilnahme an einem Personalgespräch nachkommen muss oder mit Verweis auf die bestehende Krankheit zu Hause bleiben kann.

Der Kläger war bei der Beklagten zunächst als Krankenpfleger und zuletzt - nach einer längeren unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit - befristet bis zum 31.12.2013 als medizinischer Dokumentationsassistent eingesetzt. Von Ende November 2013 bis Mitte Februar 2014 war der Kläger erneut arbeitsunfähig krank. Die Beklagte lud ihn mit Schreiben vom 18.12.2013 "zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit" zu einem Personalgespräch am 06.01.2014 ein.

Der Kläger sagte unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Die Beklagte übersandte ihm eine neuerliche Einladung für den 11.02.2014, die mit dem Hinweis verbunden war, der Kläger habe gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attests nachzuweisen. Auch an diesem Termin nahm der Kläger unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit nicht teil. Daraufhin mahnte ihn die Klägerin mit Schreiben vom 18.02.2014 ab.

Gegen diese Abmahnung wehrte sich nun der Kläger. Klageweise machte er die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte geltend. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte dem Kläger bereits durch sein Urteil vom 17.07.2015 Recht gegeben. Die Beklagte, also die Arbeitgeberin, hatte hierauf Revision zum Bundesarbeitsgericht erhoben, welche im Ergebnis keinen Erfolg hatte.

Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt sei und der Kläger deshalb ihre Entfernung aus seiner Personalakte verlangen könne. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes nach § 106 GewO jedes im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestehende Thema zum Gegenstand eines Personalgesprächs machen und sogar dem Arbeitnehmer zur Teilnahme verpflichten, soweit er die Grenzen des billigen Ermessens beachtet. Die Ermessensgrenzen sind in der Regel dann gewahrt, wenn das Gespräch einen sachlich begründeten Anlass im Arbeitsverhältnis hat und kein Maßregeln oder schikanösen Charakter aufweist.

Solch eine Aufforderung zur Teilnahme an einem Personalgespräch ist jedoch nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes gerade nicht mehr vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist. Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit sind sämtliche vertragliche Pflichten in Bezug auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung suspendiert. Da der erkrankte Arbeitnehmer also während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen muss, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.

Jedoch führte das Gericht auch aus, dass es dem Arbeitgeber nicht schlechthin verboten ist,den erkrankten Arbeitnehmer während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit in einem zeitlich angemessenen Umfang zu kontaktieren, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung nach Ansicht des Gerichtes ist es aber, dass der Arbeitgeber hierfür ein brechtigtes Interesse aufzeigt. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist nur dann zum Erscheinen im Betrieb des Arbeitgebers verpflichtet, wenn dies ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer hierzu gesundheitlich in der Lage ist.

Für die Unverzichtbarkeit und die betrieblichen Gründe ist sodann der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Hat der Arbeitgeber solche Gründe nicht aufgezeigt, muss der arbeitsunfähige Arbeitnehmer der Anordnung des Arbeitgebers, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen, nicht nachkommen.

Praxistipp

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt mit dieser Entscheidung die bereits zuvor zu diesem Themenbereich ergangenen Urteile der Landesarbeitsgerichte. Auch wenn die Entscheidung kein grundsätzliches Kontaktverbot des Arbeitgebers enthält, ist es ratsam, im Umgang mit erkrankten Arbeitnehmern die gebotene Sorgfalt walten zu lassen. In Bezug auf "reine" Personalgespräche ist es sicherlich empfehlenswert, auf die Rückkehr des Arbeitnehmers zu warten. Eine Aufforderung zum Gespräch sollte nur dann erfolgen, wenn dies aus betrieblichen Gründen zwingend notwendig ist. Zu berücksichtigen sind dabei auch die Position und Verantwortung des Arbeitnehmers im Unternehmen. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Krankheitsbild des Arbeitnehmers in diesem Zusammenhang natürlich hohe Bedeutung zukommt.

Mit besten Wünschen für eine fröhliche und besinnliche Adventszeit und freundlichen Grüßen aus Heidelberg, 
Ihr Arbeitsrechtsteam

Tiefenbacher

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