Machtwort aus Karlsruhe: Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Anschlussverbot bei sachgrundloser Befristung ist verfassungswidrig!

Liebe Leserin,
lieber Leser,

nach § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Seit dem Jahr 2011 hat das Bundesarbeitsgericht das Vorbeschäftigungsverbot dergestalt ausgelegt, dass dieses nur für die letzten drei Jahre gilt. Arbeitgeber konnten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts somit Arbeitsverträge ohne Sachgrund bis zur Höchstdauer von zwei Jahren befristen, wenn drei Jahre zuvor kein Arbeitsverhältnis mit dem betreffenden Arbeitnehmer bestanden hatte.

Verschiedene Landesarbeitsgerichte widersprachen allerdings dem Bundesarbeitsgericht und ließen jeweils die Revision zu, die beim Bundesarbeitsgericht nach wie vor anhängig sind. Am 06.06.2018 befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob die erneute Befristung eines Arbeitsverhältnisses nur dann nicht möglich ist, wenn zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen weniger als drei Jahre liegen.

Der Entscheidung lagen Entfristungsklagen von Beschäftigten zugrunde. In einem Verfahren hatte das Arbeitsgericht Braunschweig dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit der Berufsausübungsfreiheit des Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz und der allgemeinen Handlungsfreiheit des Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist, wenn eine sachgrundlose Befristung entgegen dem Bundesarbeitsgericht auf die erstmalige Beschäftigung bei dem Arbeitgeber beschränkt ist. Das Arbeitsgericht Braunschweig hielt die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts somit für falsch. Das Arbeitsgericht meinte jedoch, dass das Gesetz in dieser Form dann in unverhältnismäßiger Weise in die Vertragsfreiheit eingreife. Das Arbeitsgericht setzte das Verfahren daher aus und legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor. In dem anderen Verfahren, das der Entscheidung zu Grunde lag, hatte ein Arbeitnehmer geltend gemacht, die vereinbarte sachgrundlose Befristung sei unwirksam, so dass er unbefristet zu beschäftigen sei, da eine Vorbeschäftigung vorlag. Das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht und auch das Bundesarbeitsgericht bestätigten jedoch die Rechtsprechung, nach der eine erneute sachgrundlose Befristung nach Ablauf von 3 Jahren wieder zulässig sei. Er erhob dann Verfassungsbeschwerde und rügte, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, da sie die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschreite.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfassungswidrig ist, da sie die gesetzgeberische Grundentscheidung nicht respektiere. So ergebe sich aus den Materialien und der Gesetzgebungsgeschichte, dass der Gesetzgeber grundsätzlich jede Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber erfassen wollte. Der Gesetzgeber habe sich klar gegen eine gesetzliche Frist entschieden. Er wollte grundsätzlich nur eine sachgrundlose Befristung und diese nur bei der Ersteinstellung zulassen. Dieses Konzept könne nicht durch ein eigenes anderes Konzept der Gerichte ersetzt werden.

Hinsichtlich des Vorlagebeschlusses entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelung des § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG auch in der Form eines generellen Vorbeschäftigungsverbotes verfassungsgemäß ist. Die Berufsfreiheit der Beschäftigten und die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers würden zwar eingeschränkt, jedoch nicht verletzt.

Die gesetzliche Intention, die Beschäftigten vor Kettenbefristungen zu schützen und das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu sichern, sei durch das Sozialstaatsprinzip gedeckt. Der Gesetzgeber habe insoweit auch einen Beurteilungs- und Prognosespielraum, wie er seine Ziele verfolge. Die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die Ersteinstellung sei hinsichtlich der verfolgten Zwecke wirksamer als die vom Bundesarbeitsgericht verfolgte Karenzregelung von drei Jahren. Der Arbeitgeber müsse sich bei einer Vorbeschäftigung zwischen der unbefristeten Beschäftigung und einer sachgrundlosen Neueinstellung einer anderen Person entscheiden. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch eine verfassungskonforme Auslegung des Vorbeschäftigungsverbotes angemahnt. So sei ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei einer Vorbeschäftigung unverhältnismäßig, wenn und soweit eine Gefahr einer Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Arbeitnehmer nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, die unbefristete Beschäftigung als Regel zu sichern. Zu denken sei dabei an Fälle, in denen eine Vorbeschäftigung Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, völlig anders geartet war oder nur von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Dies könnten etwa Fälle sein bei einer geringfügigen Beschäftigung während der Schul-, Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden oder bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiographie mit einer späteren beruflichen Neuorientierung. In derartigen Fällen könnten und müssten die Fachgerichte den Anwendungsbereich des Verbotes der Vorbeschäftigung einschränken.

Praxistipp:

Da es völlig unklar ist, ab wann eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt oder ganz anders geartet war oder nur eine geringfügige Nebenbeschäftigung vorlag, kann nur geraten werden, grundsätzlich bei jeder Vorbeschäftigung einen Sachgrund für die Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu prüfen und diese dann zu nutzen. Sollte eine Sachgrundbefristung bei einer Vorbeschäftigung nicht denkbar sein, muss geprüft werden, ob noch eine Probezeit möglich ist (hier gelten andere eindeutigere Voraussetzungen im Hinblick auf eine Unterbrechung der Arbeitsverhältnisse). Die Probezeit sollte dann für eine endgültige Entscheidung genutzt werden. Andernfalls kann nur geraten werden, auf die Einstellung zu verzichten bzw. muss sich der Arbeitgeber des Risikos bewusst sein, dass ein unbefristeter Arbeitsvertrag zustande gekommen ist.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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