Nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Gegenleistung

Liebe Leserin,
lieber Leser,

sobald das Arbeitsverhältnis beendet ist, kann der Ex-Arbeitnehmer ohne Weiteres bei einem Konkurrenten des Ex-Arbeitgebers tätig werden, denn schließlich genießt der Arbeitnehmer Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Da sich viele Arbeitgeber vor diesem Szenario fürchten, möchten sie sich druch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots schützen. Hierbei eine - auch für die Zukunft - verbindliche vertragliche Regelung zu schaffen, ist bereits kniffelig genug. Was aber oft seitens des Arbeitgebers "vergessen" wird, ist, dass dieses Verbot mit einem Griff in den Geldbeutel des Arbeitgebers einhergeht. Daher werden häufig allerlei Versuche unternommen, um dem Arbeitnehmer einerseits die Einhaltung des Verbotes abzuringen und gleichzeitig die Zahlung einer Entschädigung für das Verbot zu vermeiden. 

Um diesen Problemkreis dreht sich auch der jüngst entschiedene Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 22.03.2017, Az. 10 AZR 448/15). Die Klägerin war vom Mai 2008 bis Dezember 2013 als Industriekauffrau bei der Beklagten, einem Unternehmen der Kühl- und Gefriertechnik beschäftigt und bezog zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.209,38 EUR. 

Der Arbeitsvertrag enthält u. a. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, welches der Klägerin untersagte, für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu sein, welches mit der Beklagten in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sah die Regelung eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR vor. Darüber hinaus enthielt der Arbeitsvertrag noch eine sogenannte salvatorische Klausel, wonach der Vertrag im Übrigen unberührt bleiben soll, wenn eine Bestimmung nichtig oder unwirksam ist. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss des Vertrages die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten. 

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine ordentliche Kündigung der Klägerin. Danach hielt die Klägerin das ihr auferlegte Wettbewerbsverbot ein. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin für die Zeit von Januar 2014 bis Dezember 2015 eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 604,69 EUR brutto.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Parteien ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot i. S. d. §§ 74 ff. HGB gegen Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart hätten. Entsprechend der gesetzlichen Regelung bestehe die Karenzentschädigung mindestens in der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistung und somit in Höhe von 604,69 EUR brutto monatlich. Durch den von beiden Parteien unterschriebenen und der Klägerin ausgehändigten Arbeitsvertrag werde auch dem Schriftformerfordernis Genüge getan. Die rein tatsächlich fehlende Vereinbarung einer Karenzentschädigung führe nicht zur Unwirksamkeit der Wettbewerbsvereinbarung. Vielmehr sei aufgrund der salvatorischen Klausel die Wettbewerbsvereinbarung um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karrenzentschädigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe zu ergänzen. 

Im Gegensatz hierzu hielt die Beklagte das im Arbeitsvertrag geregelte Wettbewerbsverbot aufgrund der fehlenden Zusage einer Karenzentschädigung für nichtig. Auf die Nichtigkeit könnten sich sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer berufen. Die Nichtigkeit könne auch nicht über die salvatorische Klausel überwunden werden. Es fehle an einer wirksamen schriftlichen Bezugnahme auf die §§ 74 ff. HGB. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen verbindlichen und unverbindlichen Wettbewerbsverboten unterscheide. Würde jede Wettbewerbsvereinbarung auch ohne Vereinbarung einer Karenzentschädigung im Ergebnis zu der Verpflichtung führen, dennoch eine Entschädigung zu zahlen, so wäre diese Unterscheidung überflüssig.

Hatte die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Hamm der Klage noch stattgegeben, lehnte das Bundesarbeitsgericht einen solchen Anspruch der Klägerin auf Karenzentschädigung ab.

Grundsätzlich sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB, welcher gem. § 110 GewO auch auf Arbeitnehmer Anwendung findet, nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer des Verbotes eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbotes mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistung entspricht. Liegt die vereinbarte Entschädigung unter diesem gesetztlichen Minimum, sei das Verbot unverbindlich, d. h. der Arbeitnehmer könne frei entscheiden, ob er sich (gegen Zahlung der geringeren Entschädigung in vereinbarter Höhe) an das Verbot halten will oder nicht. Im letzteren Fall könne der Arbeitnehmer seinem Ex-Arbeitgeber Konkurrenz machen, bekomme hierfür allerdings auch kein Geld.

Das Bundesarbeitsgericht führt zudem aus, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, welcher gar keine Karenzentschädigung vorsehe, nicht nur unverbindlich, sondern sogar nichtig sei. Ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot entfalte überhaupt keine Rechtswirkungen. Nach Ansicht des Gerichts könne weder der Arbeitgeber aufgrund einer solchen Vereinbarung die Unterlassung von Wettbewerb verlangen, noch habe der Arbeitnehmer bei Einhaltung des Wettbewerbsverbots Anspruch auf eine Karenzentschädigung. Auch die in dem Vertrag enthaltene salvatorische Klausel könne einen solchen Verstoß nicht heilen, so dass das Wettbewerbsverbot nicht - auch nicht einseitig zu Gunsten des Arbeitnehmers - als wirksam angesehen werden könne. Wegen der Notwendigkeit, spätestens unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung über die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes zu treffen, müsse sich die (Un-)Wirksamkeit aus der Vereinbarung ergeben. Daran fehle es bei einer salvatorischen Klausel, nach der wertend zu entscheiden ist, ob die Vertragsparteien in Kenntnis der Nichtigkeit der Vereinbarung eine wirksame Vereinbarung abgeschlossen hätten und welchen Inhalt die Entschädigungszusage gehabt hätte.

Praxistipp

Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes und dessen Notwendigkeit sollte bei jedem Arbeitsvertrag neu durch- und bedacht werden. Im vorliegenden Fall stellt sich z. B. schon die Frage, wie die Klägerin als Industriekauffrau der Beklagten überhaupt ernsthaft Konkurrenz machen kann! Davon abgesehen, sollte die vertragliche Regelung eines Wettbewerbsverbotes, immer auf den Einzelfall abgestimmt sein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verbot oft erst viele Jahre in der Zukunft überhaupt zum Tragen kommt. Letztlich wird es aber immer bei dem Grundsatz bleiben: "Kein Wettbewerbsverbot ohne Entschädigung".

Gerne beraten wir Sie ausführlich zu diesem Thema.

Mit besten Grüßen aus Heidelberg

Ihr Arbeitsrechtsteam
Tiefenbacher

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