Sonderzahlungen auf Mindestlohn anrechenbar

Liebe Leserin,
lieber Leser,

das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns - Mindestlohngesetz (MiLoG) gilt in Deutschland nun schon seit dem 01.01.2015 und führte einen flächendeckenden allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn für Arbeitnehmer und für Praktikanten in Höhe von 8,50 EUR brutto je Zeitstunde ein. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes kommt nun langsam ein wenig Licht ins Dunkel der Auslegung der neuen Vorschriften. Inwieweit Anrechnungen von Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn vorgenommen werden können, hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 12.01.2016 zu entscheiden.

Die Klägerin im streitgegenständlichen Verfahren war Arbeitnehmerin mit einem arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von weniger als 8,50 EUR brutto pro Stunde. Im Betrieb des beklagten Unternehmens gibt es eine Vielzahl von Arbeitnehmern, einschließlich der Klägerin, mit denen arbeitsvertraglich vereinbart ist, dass diese zweimal jährlich eine Sonderzahlung in Höhe eines halben Monatslohns erhalten.

Hierzu haben der beklagte Arbeitgeber und der im Betrieb bestehende Betriebsrat vereinbart, dass diese Sonderzahlungen auf alle 12 Monate zu verteilen sind, d.h. jeden Monat ein Zwölftel der Sonderzahlung auszuzahlen ist. Mit dieser zusätzlichen, anteiligen Sonderzahlung betrug der Stundenlohn der Klägerin mehr als 8,50 EUR. Daneben sind arbeitsvertragliche Überstunden-, Sonn- und Feiertags- sowie Nachzuschläge vorgesehen, die der beklagte Arbeitgeber weiterhin auf der Grundlage des vereinbarten Stundenlohns von weniger als 8,50 EUR berechnete.

Hiergegen hat sich die Klägerin gewandt und geltend gemacht, dass ihr die Sonderzahlungen zusätzlich zu einem Stundenlohn von 8,50 EUR zustünden. Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 EUR sei ferner bei der Berechnung der Zuschläge zugrunde zu legen. Der beklagte Arbeitgeber ist der Auffassung, dass die Sonderzahlung nicht zusätzlich zum Mindestlohn anfalle, sondern mit diesem zu verrechnen sei. 

Das Gericht ist dem Vorbringen der Klägerin nur bezüglich der Nachtarbeitszuschläge gefolgt. Bei den Sonderzahlungen handele es sich im vorliegenden Fall um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitleistung der Klägerin, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich sei. Weiterhin führte das Gericht aus, dass die Betriebsvereinbarung, die die Fälligkeit der Sonderleistungen zu einem Zwölftel auf den Monat verschiebe, wirksam sei und nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin verstoße. Die vertraglich geregelten Mehrarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschläge hat der Arbeitgeber zulässig auf der Basis der vertraglich vereinbarten Vergütung berechnet.

Nur hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge folgte das Gericht der Rechtsauffassung der Klägerin und führte aus, dass die Nachtarbeitszuschläge auf der Basis des Mindestlohnes von 8,50 EUR zu berechnen seien, weil § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer "zustehende Bruttoarbeitsentgelt" vorschreibe.

Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Urteil ist deswegen noch nicht rechtskräftig.

Praxistipp

Zu beachten ist, dass die Entscheidung nicht so zu verstehen ist, dass jede Sonderzahlung, die monatlich ausgezahlt wird, auf den Mindestlohn anzurechnen ist. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit darin, dass die Sonderzahlungen an keine weiteren Voraussetzungen gebunden waren. Der Mindestlohn dient lediglich der Vergütung der "Normal"-Leistung. Es kommt also darauf an, ob eine Leistung im konkreten Fall das vergütet, was der Arbeitnehmer "normalerweise" tun muss oder ob eine Zahlung über überobligatorische Leistungen erfolgt. Es ist also festzuhalten, welchem Zweck die Sonderzahlung dienen soll und ob sie von weiteren Voraussetzungen abhängt. Falls dem so ist, wird eine Jahressonderzahlung in der Regel nicht auf den Mindestlohn anzurechnen sein. 

Es lässt sich also erkennen, dann noch Vieles im Zusammenhang mit dem Mindestlohn streitig ist und die damit verbundenen Rechtsfragen noch höchstrichterlicher Klärung bedürfen. 

Wir freuen uns natürlich darauf, Sie auch in diesem spannenden Gebiet immer auf dem aktuellen Stand zu halten. 

Mit besten Grüßen aus Heidelberg

Ihr Arbeitsrechtsteam
Tiefenbacher

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